Europas Botschaft an die Türkei ist klar: Wir stehen zu einer fairen Lastenteilung, aber wir akzeptieren nicht, dass Menschen, die sich ohnehin in einer verzweifelten Lage befinden, auch noch als politisches Faustpfand missbraucht werden. Eine Verhandlungstaktik auf dem Rücken der Schwächsten wird nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen.
Wenn es bei der lebensnotwendigen humanitären Versorgung von Flüchtlingen Finanzierungslücken gibt, egal ob in der Türkei, in Idlib oder in Jordanien und Libanon, werden wir uns nie dem Gespräch verweigern. Das setzt aber voraus, dass sich die Türkei an ihren Teil der Vereinbarungen hält.¹
Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU Fraktion im Bundestag, erklärte im ARD „Mittagsmagazin“, Deutschland sei besser aufgestellt als während der Flüchtlingskrise 2015: „Es geht um Ordnung und Humanität. Und wenn wir human sein wollen, wenn wir Menschen, die wirklich in Not sind, auch aufnehmen wollen, dann brauchen wir eine Ordnung in diesem Verfahren und genau das haben wir in den letzten vier bis fünf Jahren besser organisiert, als 2015 und das müssen wir auch fortführen.“
In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte die Koalition beschlossen, 1.000 bis 1.500 besonders schutzbedürftige Kinder aufzunehmen, die auf den griechischen Inseln festsitzen. Es handele sich dabei um Kinder, die entweder wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind, die meisten davon Mädchen.
Die Union müsse aber auch den Zusammenhalt der Gesellschaft im Blick behalten, so Brinkhaus, sonst sei ihr Zusammenhalt gefährdet: „Das ist ja das Problem, was wir 2015 gehabt haben, dass einige Leute gesagt haben, ja gerne, und andere haben gesagt, dass ist uns alles zu viel und als Union, als Partei der Mitte müssen wir die auch alle zusammenhalten.“
Den Wettstreit zwischen den Bewerbern um den CDU-Vorsitz sieht Brinkhaus durch die Flüchtlingsdebatte nicht belastet - über das Ziel seien sich die Bewerber einig und Diskussionen über den Weg ganz normal. Es gelte, den Kindern in Griechenland zu helfen und auf der anderen Seite klar zu machen, dass die europäische Außengrenze geschützt sei. „Ich glaube, da ist kein Unterschied in Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet“, so Brinkhaus.²
EU-Außenminister: „Situation an griechisch-türkischer Grenze ist inakzeptabel“
Die EU-Außenminister sind heute (Freitag) zu einer außerordentlichen Ratssitzung zusammengekommen, um die Krise im nordysrischen Idlib und die Situation an den EU-Außengrenzen mit der Türkei zu erörtern. Der Hohe Vertreter der EU, Josep Borrell, sagte im Anschluss an das Treffen in einer Pressekonferenz: „Die Situation an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland ist inakzeptabel. Wir verurteilen es, dass Migranten mit der Hoffnung auf Grenzöffnung an die Grenze gelockt werden. Das habe ich auch während meines Besuch in Ankara klargemacht.“ In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, die EU werde ihre Außengrenzen schützen und dafür alle erforderlichen Maßnahmen im Einklang mit dem EU- und dem Völkerrecht ergreifen.
In der Erklärung der Außenminister heißt es weiter, die EU erkenne zwar die zunehmende Migrationslast der Türkei an, doch sei es entschieden abzulehnen, dass die Türkei den Migrationsdruck für politische Zwecke nutzt. Die Situation an der EU-Außengrenze sei nicht akzeptabel. Migranten sollten nicht ermutigt werden, illegale Übertritte auf dem Land- oder Seeweg zu versuchen. Der Rat fordert die türkische Regierung und alle Akteure und Organisationen vor Ort auf, diese Botschaft weiterzugeben und der Verbreitung falscher Informationen entgegenzuwirken.
Die EU bekräftigt ihre uneingeschränkte Solidarität mit Griechenland, Bulgarien, Zypern und anderen Mitgliedstaaten, die in ähnlicher Weise betroffen sein könnten. Der Rat begrüßt die von der Kommission am 4. März 2020 angekündigte praktische Unterstützung für Griechenland.
Der Rat erwartet von der Türkei, dass sie die EU-Türkei-Erklärung von 2016 in Bezug auf alle Mitgliedstaaten in vollem Umfang umsetzt. Diese Erklärung führt zu greifbaren Ergebnissen, unter anderem durch die Unterstützung der erheblichen Anstrengungen der Türkei bei der Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen durch die EU.
Zur anhaltenden Offensive des syrischen Regimes und seiner Unterstützer, einschließlich Russlands, in Idlib sagte Josep Borrell auf der Pressekonferenz: „Diese Offensive hat unsägliches menschliches Leid und die schlimmste humanitäre Krise seit Beginn des syrischen Konflikts ausgelöst. Wir rufen alle Seiten zu einer dringenden Deeskalation des Konflikts in Syrien auf.“
Die EU arbeitet mit anderen internationalen Partnern, einschließlich der Uno, der NATO und der USA, zusammen, um den klaren internationalen Konsens zugunsten einer Deeskalation und eines dauerhaften Waffenstillstands zu stärken.
Der Rat nimmt die Ergebnisse des gestrigen Treffens zwischen Russland und der Türkei in Moskau zur Kenntnis und wiederholt nachdrücklich den Aufruf an alle Parteien, einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand einzuhalten, den Schutz der Zivilbevölkerung am Boden und in der Luft zu gewährleisten und die ungehinderte Bereitstellung humanitärer Hilfe durch die internationale Gemeinschaft zu ermöglichen.
Die Europäische Kommission mobilisiert weitere 60 Mio. Euro an humanitärer Hilfe für Nordwestsyrien, auch in den Grenzgebieten, und hat sich verpflichtet, ihre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Nordwestsyrien zu erhöhen. Die humanitäre Hilfe dient der Deckung des dringenden Bedarfs an Unterkünften, Medizinprodukten und Nahrungsmitteln für rund eine Million Vertriebene in den letzten Wochen sowie für alle anderen bedürftigen Syrer in der Region Idlib.
Zudem kündigte Borrell für den 30. Juni eine Geberkonferenz in Brüssel an, um weitere internationale Hilfe für Syrien und die Region zu mobilisieren und den Dialog mit der syrischen Zivilgesellschaft weiter zu stärken.³
¹Außenminister Heiko Maas gegenüber der Funke-Mediengruppe ²Rundfunk Berlin-Brandenburg ³Europäische Union